Sternenglanz in München: Bei Tohru Nakamura im Werneckhof by Geisel
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Auf der Heimfahrt im Zug. Ich muss mir das jetzt von der Seele schreiben, da die Erinnerung an den wirklich unvergesslichen Abend im Werneckhof noch so spürbar ist. Eine Reise durch zwei kulinarische Welten, ein weit gespannten Bogen. Phantasievoll, filigran, immer wieder neu überraschend und jeder der 7 Gänge eine Entdeckungsreise durch die Aromenwelt des Tohru Nakamura. Mit seinem Team in Küche und Service versteht er zu begeistern. Und bei all dem Sternenglanz so entspannt und unprätentiös präsentiert, auch mit einem leichten Augenzwinkern, dass man sich als Gast entspannt und einfach nur genießen kann.
Als Amouse Bouche ein Zukushi vom Süsswasserfisch, die japanische Art der Variation eines Themas, wie hier des regionalen Fischs. Als Apero dazu ein sehr zurückhaltender, feiner Sake aus Flaschengärung. Die kleinen Bestandteile dieses Entrés waren eine hervorragende Einstimmung und jeder Teil davon für sich spannend. Sei es das Sashimi vom gebeizten Lachs, u. a. mit getrocknetem Sauerkraut und Hibiskusblüte, die am Tisch aufgegossene Suppe vom Hecht (die mit den kleinen Blättern von der Kapuzinerkresse aussah wie ein Seerosenteich), der gebratene, leicht geräucherte Aal auf geröstetem Brioche mit Bohnenkraut (!) und Minigurke, oder die Kaviarpraline mit einer zart vergoldeten Erdnuss - um nur Einiges zu nennen.
Ein wirklich sehr gutes Brot mit Schnittlauchöl und Bonitoflocken-Butter mit getrocknetem Miso, musste natürlich auch probiert werden und wurde auf Grund unserer Begeisterung dafür auch nochmals nachgereicht.
Bei der Getränkeauswahl habe ich mich für die alkoholfreie Trilogie als Begleitung des Menüs entschieden und das war eine sehr gut Wahl. Auch wenn es sicher hervorragende Weine im Werneckhof gibt, die Phantasie, die in diese speziellen Getränke gelegt wurde, hätte ich nicht missen mögen. Vom erfrischenden Granité, mit Sprudel aufgegossen bis zum Komucha hat alles die Speisen unauffällig begleitet. Einzig der sicher grossartige Grüne Tee, mit geröstetem Reis, war mir im zweiten Aufguss zu bitter.
Das Menü begann mit einem ausgezeichneten Balfégo Thunfisch. Ein Tatar unter Rettich, auch ein Stück vom Bauchlappen, umschmeichelt von Auster, gerösteter Kombu, Rettich und Seeigel.
Die darauf folgende Langustine, auf einem sous vide gegartem Lauchherz, mit Edamame, japanischem Zierkohl und Sake, stand dem in Nichts nach. Das sie hervorragend gebraten war muss man nicht erwähnen. Übrigens wurden alle begleitenden Saucen oder Mousselins erst am Tisch aufgegossen.
Der Steinbutt bekam einen Aufguss von weißem Pil Pil. Das ist eigentlich bekannt aus der spanischen Küche und vereint Meeresfrüchte mit einer Menge Knoblauch. Hier kam es fein daher, mit einem Krustentierfonds, Pinienkernen und nur einer Spur Knoblauch und ergänzte Fisch, Artischocke und Salzwiesenkräuter. Den Kick bekam dieser Gang durch zwei verschiedene Öle, ein pfeffriges und ein Estragonöl - hervorragend! Und dann die Überraschung: Entdeckt, ein bisschen gerätselt und erkannt, Knollenziest ( auch japanische Artischocke oder Stachy genannt) gepickelt, als knackig säuerliches Element .
Zwischen allen Köstlichkeiten und anregenden Gesprächen wurden wir nach draußen gebeten und uns erwartete eine sehr entspannte, fröhliche Abwechslung. Deren Inhalt ich nicht verrate. Erlebe das selbst! Ein kluger Schachzug, dachte ich im Nachhinein, denn mal aufstehen und inne halten im Feuerwerk der Aromen, dass hat gut getan und aufgemuntert. Bei anderen Menüs bekommt man etwas Eisgekühltes, im Werneckhof geht man in den Keller... Aber Psst! ... Mehr sage ich nicht.
Rochen, bzw. Kotelett vom Rochenflügel hatte ich bisher noch nicht gegessen. Äußerst fein im Geschmack und von einer sehr schönen Struktur, wurde es begleitet von vielen Spielarten der Karotte, Jalpeño-Miso und XO, einem japanischen Brandy.
Der erste Fleischgang war die Imperial Wachtel in einer Petersiliefarce. Trompetenpilze und dazu ein gebeiztes, getrocknetes Eigelb bildeten hier den Spannungsbogen. Alles verbunden durch eine traumhafte, samtige Sauce, von der noch ein kleiner "Nachschlag" auf dem Tisch stehen blieb.
Beim zweiten Fleischgang hatte ich mich für Wild entschieden. Der Rehrücken war Koji gebeizt ( ... das ist ein Pilz) und gegrillt. Dazu kam Chicorée, Piemonteser Haselnuss und Marone und zwei Saucen, deren Bestandteile ich glatt vergessen, aber nicht weniger genossen habe.
Kommen wir zum Dessert. Bei der Auswahl habe ich mich, entgegen meiner Bananenaversion, für Tokyo Banana entschieden, weil mich Koriander als Bestandteil gelockt hat. Misosabayon, schwarzer Sesam Eis und Passionsfrucht ergänzten unter anderem ein hervorragendes Ragout aus Banane mit Koriander.
Zum Espresso gab es eine Auswahl an Süßigkeiten, charmant präsentiert als kleine Reise durch München. An der Stelle unbedingt nochmals eine Würdigung der wirklich lockeren, kompetenten und aufmerksamen Service Mannschaft.
Das dieser Beitrag nicht zur Restaurantkritik taugt, versteht sich von selbst. Ich sehe mich in erster Linie als Berichterstatter, denn ich habe als Hobbyköchin den größten Respekt vor den Meistern des alten Handwerks. Wenn mir etwas nicht schmeckt, würde ich es nicht schön reden, wenn mich etwas begeistert sage ich es gerne weiter. So geschehen auch hier.
Ich könnte mir aber auch nicht vorstellen, dass der geschulteste Kritiker hier ein Haar in der Suppe finden könnte. Der Koch des Jahres 2020 wird noch viel von sich reden machen.Und ich kann nur dazu raten ihn in München zu erleben, bevor sicher bald der dritte Stern vergeben wird. Dazu brauche ich nicht den Blick in die Glaskugel! Und ich würde mich riesig mit dem äußerst sympathischen, jungen Koch freuen.
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