(fast) Jeden Tag ein Buch: Chuzpe von Lily Brett


Was ist für mich ein Genussbuch ? Das habe ich mich als Erstes gefragt, als ich diese Initiative von Arthurs Tochter gesehen habe. Also komischerweise sind mir da erst mal keine Kochbücher eingefallen, denn ein Kochbuch wird  für mich erst zum Genussbuch, wenn ich daraus etwas koche. Oder es ist so schön wie das letzte Buch von Tim Raue, aus dem ich mir gar nicht traue etwas zu kochen. 

Eigentlich genieße ich immer das jeweilige Buch und auch die Vokabeln der Anpreisung (denn das mache ich dann immer ganz enthusiastisch) sind fast austauschbar, wenn ich einmal für ein Buch brenne. Ein Genussbuch also für mich Jenes, mit dem ich lachen, weinen, staunen, bangen, hoffen und fürchten kann. Und wenn es nebenbei auch noch mit dem Genuss von gutem Essen zu tun hat, ist ja für diese Woche alles perfekt. 

CHUZPE von Lily Brett



mit freundlicher Genehmigung des Suhrkamp Verlages ;
ISBN 978-3-518-45922-5



WO:

In New York, dieser wunderbaren Stadt. Schon kurz nach der Ankunft habe ich mich gefühlt, als sei ich auf Droge. So ein Hochgefühl, so ein...yes, i can....alles ist möglich. Und nur in einer solchen Stadt kann die erzählte Geschichte spielen. Als ich das Buch gelesen habe war ich wieder dort, zwischen den Hochhäusern, den  extrem freundlichen Menschen, dem speziellen Lärm und dem was da in der Luft liegt, was man gar nicht beschreiben, sondern nur fühlen kann.

 


WER

Ruth : Die Frau Mitte50, die einen so seltsamen Beruf ausübt, den es nur in Amerika geben kann. Denn ich glaube fest daran, dass dieser Beruf nicht erfunden ist, sondern das es diesen dort wirklich gibt. Rothwax Correspondence schreibt Briefe, die Briefe anderer. Kondolenzen zum Ableben von Hunden an das hinterbliebene Herrchen im Auftrag eines vom Gassi-gehen bekannten Hund-und Herrchen-Teams (da werden die Namen auch schon mal verwechselt), den Brief des Verlobten an die zukünftige Frau, weil er ihr mit dem Ehevertrag auch den Passus der Kinderlosigkeit unterjubeln will. Und mit noch mehr abgefahrenen Anlässen verdient Ruth ihr Geld.  Zweites Standbein der Firma ist Entwurf und Herstellung von nicht nur Glückwunschkarten. Diese werden nur mit Text gestaltet und eine sehr schöne, die man schicken könnte zur Scheidung, lautet: " Herzlichen Glückwunsch. Besser, Sie geben ihn auf als sich selbst."  Sie achtet auf ihre Gesundheit, isst fast ausschließlich vegetarisch, vermisst ihren Mann und ist in manchen Situationen so herrlich unsicher. Ihr größte Herausforderung ist ihr Vater.

Edek: Ruths Vater, 87-jähriger Überlebender des Holocoust, wohnt in Australien und beschließt eines Tages zu seiner Tochter nach New York zu ziehen, um ihr näher zu sein. Er leidet lange unter der Vorstellung, dass seine Tochter seine Hilfe braucht, besonders bei der Organisation ihres Büros, und bringt damit, und mit vielen anderen Aktivitäten, so ziemlich alles durcheinander. Vom computergesteuerten Staubsauger für einen einzigen kleinen Teppich belegten Raum bis zum WC Papier und den  Büroklammern für Äonen von Jahren.

Zofia: Die Ende 60-erin mit dem großen Busen, der straffen Haut und der maisgelben Punkfrisur. Sie kommt aus Polen mit Freundin Walentyna. Beide haben Edek im Beisein von Ruth bei einer Polen-Reise kennengelernt und sind, ohne Wissen von Ruth, mit Edek in Verbindung geblieben. Kurios ist, dass sie eine Greencard bei der Lotterie gewonnen haben und so nach New York kommen.

WAS:

Chuzpe. Das beinhaltet, Frechheit, Anmaßung, Dreistigkeit. Im jiddischen positiv besetzt und auch für mich so wie in Wikipedia beschrieben..."  Mischung aus zielgerichteter, intelligenter Unverschämtheit, charmanter Penetranz und unwiderstehlicher Dreistigkeit...."
Edek dreht richtig auf, genau das ist so seine Art. Mit Chuzpe an die Dinge herangehen. Er kümmert sich um die beiden Polinnen, die mit immer stärker werdendem Geschäftssinn New York erobern, wird angesteckt und bald teilt er mit Zofia nicht nur Wohnung und Bett, sondern auch die Idee, eine Gaststätte zu eröffnen. Ruth ist am Verzweifeln, denn damit sieht sie auch die Edek zur Verfügung gestellte finanzielle Unterstützung in schier endlose Kanäle verschwinden. Und als er auch noch räumlich und personell expandiert, bevor sie überhaupt eröffnet haben, ist sie fassungslos. Aber es kommt wie es kommen muss und wie man es sich während des Lesens sehnlichst wünscht - die ganze skurile Unternehmung wird ein voller Erfolg. Und worauf begründet der sich? Auf die Herstellung von Klopsen jeder Art. Und die Beschreibung klingt sogar ganz lecker und am Ende des Buches findest du auch noch ein par Rezepte der wunderbaren Kugeln, die New York erobern.

WARUM:

Warum solltest du dieses Buch lesen. Es ist komisch, es ist rührend und ich habe dieses Buch mit viel Freude gelesen. Eine rührende Vater-Tochter Geschichte, eine Geschichte über diese aufregende, wunderbare Stadt, in der alles wahr werden kann, wenn man sich nur traut. Ich kann mir schon vorstellen, dass es dir auch so ergehen wird. Das richtige Buch für den Urlaub und vielleicht treibt es dich ja auch an der Ort des Geschehens.







Kommentare

Anonym hat gesagt…
Als Buch-Junkie finde ich es so toll, dass viele Blogger den Genussbuch-Begriff nicht auf Kochbücher reduzieren. Ich hab' ja auch mit einem Nicht-Kochbuch gestartet, weil ich gerade das Um-die-Ecke-Denken so spannend an dem Event finde... Eine tolle Buchempfehlung von Dir! Macht richtig Lust aufs Lesen und auf NYC!