Das alte Schätzchen


So ein altes Schätzchen hat`s nicht leicht. Es ist ja auch nicht mehr so schick. Es hat ein paar Jahre auf dem Buckel und die machen den Umschlag schon mal faltig und unansehnlich. Und da steht es im Regal neben dem ganzen Hochglanz, der sich so mächtig wichtig tut.
Das alte Schätzchen ist nicht so ein Aufschneider. Mehr so von der ruhigen, zurückhaltenden Sorte. Und so kuschelt es sich an den fast gleichaltrigen Rat für jeden Gartentag, neben dem es nun schon viele Jahre sein Dasein fristet. Und es denkt ein bisschen wehmütig an die Zeit, in der es das Einzige in meinem Küchenregal war.
Ruhig und geduldig wartet es. Seine Zeit wird wieder kommen, da ist es sich ganz sicher. Wenn die ganzen Prahler und Blender ausgespielt haben, wieder Zeit für Solides ist. Und dank Zorra und Bushcook ist der Tag heute gekommen.

1979 erschienen und fast zeitgleich angeschafft. In diesem andere Leben gab es nicht so große Auswahl und eine Kochbuch Auflage war im Nu vergriffen. Schlichter Titel KOCHEN, aus dem Verlag für die Frau, 1979 für 24,- M = Mark ;) 
Es waren noch Zeiten, in denen Fischsuppen als "nicht alltäglich" angepriesen, Grüne Gurken und Paprika als "sehr begehrt" beschrieben wurden und Pilzgerichte nur von "Sammlern" zubereitet werden konnten.

Das ist so eine Zeitreise mit dem Kochtopf , die ich hier beginne. Die liebe ich ja sehr und habe schon von vielen berichtet.
Im Buch die Grundlagen der Kochkunst beschrieben, von einfachem Brotaufstrich bis aufwendigem Sonntagsbraten. Ich hab es gern und oft zu Hand genommen. Kam es doch in einer Zeit zu mir, da ich gerade begonnen hatte, mich Heim und Herd zu widmen.



Ich zeige Euch hier mal so einen kleinen Einblick in die Deko der 70er und den Stand der Foodfotografie - man beachte die Oberfläche der Sahnesoße im Hintergrund, Bild rechts. 

1680 Rezepte. Was sollte es zur Feier des Tages werden. Etwas Einfaches mit Erinnerungswert, oder was richtig Aufwendiges aus diesem Anlass.  Ich überlasse es am besten dem Zufall.
Ich lege das Buch vor mich und schließe die Augen. Dann schlage ich auf und lese Tomatentorte. Oh! Torte?.
Kurzer Überflug und ich erkenne. Das habe ich schon oft gemacht. Mit Tomaten oder anderen Zutaten. Heute nennt man es eben Tarte, was soll`s. So ist es mein Schätzchen, still und unscheinbar. 
Mache ich also eine Tomatentorte ;)



1 Paket Blätterteig rolle ich auf dem Boden einer Springform aus und ziehe den Rand ein bisschen nach oben. Dann verquirle ich 3 Eier, 3 Eßl. Mehl, Salz, Pfeffer, Majoran (den ersetze ich mal ganz mutig durch frischen Oregano), 1/8 l. süße Sahne und 125 gr. Reibekäse. Ich erlaube mir zu Parmesan zu greifen. Den kennt mein Schätzchen nicht, aber er wird ihm gefallen.
Jetzt lege ich Salamischeiben auf den Teig. Hier bin ich ein bisschen im Zweifel, welche das sein könnten. Was gab es 1979? Italienische Salami völlig unbekannt, eventuell Ungarische mit viel Bemühungen. Ich geh mal davon aus, es gab einen heimischen Salami-Verschnitt und so habe ich auch eine "no name" von einem Thüringer Fleischer erworben, ein bisschen was Scharfes.  So ausgestattet, wird mein Ausflug in die Vergangenheit ziemlich authentisch.
Die Sahne-Mischung gebe ich auf den Teig und darauf verteile ich 250 gr. Tomaten - es dürfen Kirschtomaten sein. Die hatte auch nur der (die), der diese im eigenen Schrebergarten kultivierte. 
Gebacken wird das Ganze laut Buch, 35 Minuten bei "Mittelhitze". Ich habe mich für Umluft entschieden und 180 Grad.

Es hat geschmeckt. Sogar gut. Ohne viel Schnickschnack.
Ich glaube mein Schätzchen bleibt jetzt ein bisschen weiter vorn im Regal und der Ratgeber für den Garten rutscht auch nach. Das haben sich beide verdient.





















Kommentare

Cora hat gesagt…
Tolle Erinnerung und sicher genauso lecker wie damals.
Heute wäre es quasi eine Tomaten-Quiche? :)
Danke für die Anregung! Könnte ich ja auch mal....
bushcook hat gesagt…
Danke fürs Mitnehmen in die deutsch-deutsche Vergangenheit. Im ersten Moment bin ich ja bei der Zahl 1680 erschrocken und dachte, es ist die Jahreszahl :-)
Diese Schnittchen!! Kunstwerke, bei denen man nicht weiß ob man sich schütteln soll oder entzückt sein.
Obers trifft Sahne hat gesagt…
@cora - egal wie man es nennt, man kann es unendlich abwandeln und frisch aus dem Ofen schmeckt es einfach immer. also los ;)
@bushcook - habe heute gehört, dass vor über 3000 Jahren in Thüringen schon Ziegenfrischkäse gemacht wurde. Aber so schöne Toastscheiben gab es 1680 garantiert noch nicht ;)
@claudia - die 70-er eben! Ich denk,da haben sich Ost und West nicht viel unterschieden ;)
Anna Purna hat gesagt…
Wow 1680 Rezepte. Das Buch muss ja dick und schwer sein. Mein Mutter hatte so ein dickes Wiener Kochbuch. War aber älter und ohne Bilder. Dafür viele Rezepte. Mir gefallen die Fotos im Buch. Natürlich und so wie sie vom Herd kommen. Die Tomatentorte gefällt mir. Einfach, lecker und schnell gemacht.