Er ist wieder da, der essbare Kettenbrief "Hermann"
In den 80-iger, oder auch nochmal 90-er Jahren, war er der Hit in jedem Kegelclub, Büro oder im Pausenraum. Der "Hermann", zu vervielfältigender Sauerteig, über 10 Tage gehegt, gepflegt und gefüttert und am Ende in 4 Teile zerlegt. Eins zum gleich backen, eins zum weiter züchten und zwei, um sie mit der entsprechenden Anleitung zu verschenken.
Jeder Empfänger brachte dann seinerseits den daraus gebackenen Kuchen und wieder zwei Portionen Teig mit, um ein Opfer dafür zu finden. Am Anfang noch ganz easy, weil alle völlig aus dem Häuschen waren wegen der neuen Backleidenschaft, später schon etwas zäher. Nicht der Teig, sondern die Überredungskunst jemanden zu finden, der sich der Sache widmet und sie weiter trägt. Wie das eben mit Kettenbriefenkuchen so ist.
Auch der Kuchen entlockte der Kollegenschaar dann nur noch ein müdes Lächeln und so ist er gestorben, der "Hermann". Beerdigt hat ihn keiner, er wurde aufgegessen und nicht mehr weiter vererbt.
"Hermann" wird nie schlecht, es sei denn man vergisst ihm die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken, weil ja immer neue Hefekulturen entstehen, die sich beim Füttern eben vermehren.
Über Herkunft und Erfinder/In ist nichts glaubenswertes bekannt bzw. überliefert. In anderen Ländern gibt es ähnliche Bräuche unter den Namen Freundschaftsbrot oder Glücksbrot.
Und so war es schon wie eine kleine Zeitreise, als meine Freundin Ulrike bei einem Besuch bei mir mit einem kleinen Eimerchen (also wirklich klein!) und der entsprechenden Anleitung auftauchte. Der "Hermann" hat uns also wieder heimgesucht, auferstanden woraus auch immer.
Da habe ich ihn also getreu der Vorschrift gepflegt und gefüttert und am Ende einen Kuchen gebacken. Zu meinem größten Erstaunen fand ich bei meinen Kollegen genau die zwei benötigten, die den noch nicht mal kannten und sich toootaaal gefreut haben. Happy End also für den "Hermann" der 2000-er Jahre, jedenfalls bei mir ;)
Eine Portion gebacken, eine habe ich erst mal eingefroren (weil das geht nämlich auch) und daraus soll ein Brot entstehen. Das wusste ich übrigens noch nicht, dass man aus ihm auch ein Brot zaubern kann, obwohl es ja einleuchtet weil er ja von Beruf Sauerteig ist.
Nachfolgend, falls es euch in den Fingern juckt ihn wieder auf die Reise zu schicken, eine Anleitung für das Ansetzen des Teiges, die benötigte Weiterbehandlung und für den Kuchen mit Äpfeln und Nüssen. Wundert euch nicht über den dunklen Teint, "Hermann" bekam einen Schokopudding anbei, weil Vanille gerade "aus" war ;)
Dann viel Freude beim züchten und backen und weil wieder so viel Zeit seit der letzten Hermann-Welle vergangen ist, findet ihr bestimmt auch willige Opfer fürs weiter vererben ;)
Teigansatz:
100 g Weizenmehl
1 EL Zucker
1/2 Pck. Trockenbackhefe (knapp 2 gestr.
TL)
150 ml lauwarmes Wasser
Mehl in einer verschließbaren Schüssel (Inhalt: etwa 1, 5 l, keine Metallschüssel)
mit Zucker und Hefe vermischen. Lauwarmes Wasser hinzufügen und mit einem
Rührlöffel (aus Holz oder Kunststoff) zu einem glatten Teig verarbeiten. Die
Schüssel mit dem Deckel verschließen.
Den Teigansatz 2 Tage bei Zimmertemperatur stehen lassen, dabei ab und zu
umrühren. Teigansatz dann im Kühlschrank aufbewahren. Von nun an so
weitermachen, als hätte man den Hermann-Teig geschenkt bekommen.
Verarbeitung des "geschenkten" Hermanns:
1. Tag: ruhen, 2. Tag: umrühren, 3. Tag: umrühren, 4. Tag: umrühren
5. Tag: 1. Füttern: Mehl mit Zucker und Milch hinzufügen und gut verrühren.
6. Tag: umrühren, 7. Tag: umrühren8. Tag: umrühren, 9. Tag: umrühren
10. Tag: 2. Füttern: Mehl mit Zucker und Milch hinzufügen und gut verrühren.
Den dickflüssigen Hermann-Teig in 4 gleich große Portionen (je etwa 200 g) teilen.
Mit einer Portion kann jeweils ein Rezept zubereitet werden. Die Portionen können
aber auch einzeln eingefroren werden, verschenkt werden oder einen neuen
Ansatz damit zubereiten. Dann mit dem 1.Tag (ruhen) beginnen.
zum 1. und 2. Füttern:
100 g Weizenmehl
150 g Zucker
150 ml Milch
Kuchenrezept mit Äpfeln und Nüssen:
300 gr. Mehl
1 Pkt.Puddingpulver Vanille
1 Pkt. Backpulver
175 gr. Zucker
5 mittelgroße Eier
200 gr. gemahlene Mandeln oder Nüsse
150 ml.Öl
1 Portion Hermann-teig
3 geriebene Äpfel
Zucker und Puderzucker zum bestäuben
Alles gut mischen, geriebene Äpfel unterheben. In eine gefettete Kuchenform füllen. Backofen auf 180 Grad vorheizen und 1 Std. backen. Form aus Ofen nehmen und 10 Min. ruhen lassen, dann auf Kuchengitter stürzen, mit etwas flüssiger Butter bestreichen, braunen Zucker darauf streuen und mit Puderzucker bestäuben.
Rezept für ein Weißbrot mit Hermann-Teig:
200 gr. Hermann-Teig
350 gr. Weizenmehl
125 ml lauwarmes Wasser
10 gr. Salz
Milch zum bestreichen
Zutaten zu einem glatten Teig kneten, 30 Minuten stehen lassen. Teig durchkneten, in eine Kastenform geben und an einem warmen Ort gehen lassen, bis sich der Teig verdoppelt hat.
Backofen auf 200 Grad vorheizen, auf den Boden eine Schale mit Wasser stellen, damit das Brot nicht austrocknet (oder mit Dampf backen) Brot 10 Minuten bei 200 Grad backen, dann längs einschneiden, oder aufreißen lassen. Anschließend 30 Minuten bei 180 Grad backen, dann mit Milch bestreichen, damit es schön glänzt. Weitere 10 Minuten backen, bis das Brot goldgelb ist. Zum Auskühlen auf einen Rost stürzen.
Kommentare
Ich habe ihn immer gerne mit gemahlenen Haselnüssen gebacken. ;-)
Liebe Grüße,
Nele